Die Trump-Regierung kann vor Ego kaum laufen, aber die Wahrheit ist, nahezu alle ihrer Maßnahmen sind dumm, für alle Beteiligten destruktiv und menschlich oft abstoßend. Das heißt noch nicht, dass sie den Bestand der US-Demokratie gefährden, viele sind innerhalb der verfassungsgemäßen Ordnung. Bei anderen ist das unklar, Gerichte klären diese Fälle zu Dutzenden. Auch hier ist aus meiner Sicht noch kein irreversibler Schaden entstanden. Es gibt aber einen Bereich, der den Rechtsstaat und in der Konsequenz auch die Demokratie massiv bedroht, das sind die Deportationen von Migranten.
Das Problem sind nicht Abschiebungen als solche - jeder Staat kann Leute ohne gültige Aufenthaltserlaubnis abschieben -, sondern die Art, wie sie durchgeführt werden bzw. die Folgerungen, die das hat. Hierbei spielt vor allem das Abkommen mit dem salvadoranischen Präsidenten Bukele eine Rolle.
Die Informationslage ist noch verschwommen, weil die Trump-Regierung sich allen Aufklärungsversuchen durch Justiz, Kongress und Medien widersetzt. Allerdings sollte man niemals amerikanische Medien unterschätzen. Insbesondere New York Times und Washington Post haben es geschafft, eine erstaunliche Menge präziser Informationen zu Tage zu fördern, auch weil es - und das sollte der Trump-Regierung Sorgen machen - genügend Leute in Behörden und Ministerien gibt, die bereit sind, der Presse zu helfen. Ich bin sicher, dass nach und nach weitere Informationen bekannt werden.
Trump und sein engster Berater in diesen Fragen, Stephen Miller, wollten zum Start ihrer Deportationspolitik einen Weg finden, möglichst viele der ca. 600.000 Venezolaner loszuwerden, die seit Maduro in die USA gekommen sind. Hierfür hat man sofort nach Amtsantritt mit einem zweigleisigen Vorgehen begonnen. Richard Grenell hat trotz fehlender diplomatischer Beziehungen zu Venezuela mit dem Maduro-Regime Verhandlungen aufgenommen, dass Venezuela seine Staatsbürger zurücknimmt. Zugleich ist Marco Rubio auf El Salvador zugegangen und hat bereits Anfang Februar eine grundsätzliche Bereitschaft erzielt, dass das Land Häftlinge aus den USA aufnimmt. Am 14. März haben die USA und El Salvador durch den Austausch diplomatischer Noten ihr Abkommen finalisiert. El Salvador würde 300 Mitglieder der venezolanischen Drogenbande Tren de Aragua für zunächst ein Jahr aufnehmen und im Hochsicherheitsgefängnis CECOT inhaftieren. Hierfür würden die USA etwa 20.000 $ pro Gefangenen zahlen. In diesem Jahr würde man beschließen, was mit den Menschen weiter passieren soll. Falls sie länger in CECOT bleiben, würde es für das zweite Jahr einen Discount geben. Zusätzlich hat die Trump-Regierung auf Wunsch von Bukele zugesagt, eine Reihe von in den USA inhaftierten hochrangigen Mitgliedern der schwerste Gewalt ausübenden Bande MS-13 an El Salvador überstellen. Hintergrund ist offenbar, dass Bukele die Macht über diese Personen nutzen will, um MS-13 zu bewegen, sich bei Gewalttaten in El Salvador etwas zurückzuhalten.

Das Hochsicherheitsgefängnis CECOT ist Ende 2023 fertiggestellt worden und dient dazu, Mitglieder von schwerstkriminellen und vor allem extrem gewalttätigen Banden für immer wegzusperren. Es ist eine Hölle auf Erden. Die Insassen sind in Gemeinschaftszellen zu etwa je 160 Personen untergebracht. Insgesamt hat das Gefängnis eine Kapazität von 40.000 Gefangenen, El Salvador denkt aber darüber nach, die Anlage auszubauen. Die Insassen haben keinen Kontakt zur Außenwelt, weder Familie noch Anwälte, auch nicht telefonisch oder per Post. Bücher oder andere Formen der Beschäftigung sind nicht erlaubt. Pro Tag haben die Gefangenen eine halbe Stunde Hofgang und verbringen den Rest ihrer Zeit in ihrem Käfig (wer einen kurzen Eindruck von den Bedingungen gewinnen möchte, kann dieses Video ansehen).
Bukeles Bedingung für die Aufnahme von Häftlingen war, dass ausschließlich Mitglieder der Tren de Aragua bzw. die von ihm gewünschten Einzelpersonen der MS-13 nach CECOT überführt werden. Genau das ist aber nicht passiert, und war vermutlich auch nie die Absicht der USA. Stattdessen haben die USA offenbar einfach irgendwelche Venezolaner verhaftet und behaupten jetzt nur, diese seien Mitglieder der Bande (zu den Hintergründen dieser Aktion siehe:
Was ist eine Invasion?
Es kam nicht ganz überraschend. Samstagabend unserer Zeit hat POTUS den Alien Enemies Act (AEA) von 1798 aktiviert, ein Gesetz, dass die Festsetzung und Abschiebung von Ausländern im Kriegsfalle erlaubt (eine knappe Orientierung hier). Um das Gesetz anzuwenden, braucht es eine öffentliche Erklärung des Präsidenten, in der er sagt, gegen welche Gruppe vo…
Am Ende sind 238 Venezolaner und 23 angebliche Mitglieder der MS-13 am 15. März nach CECOT überstellt worden. Acht Frauen und eine Person nicaraguanischer Nationalität sind von El Salvador direkt zurückgewiesen worden. Wir wissen nicht, wer genau deportiert worden ist, bei den wenigen Einzelschicksalen, die aber bekannt geworden sind, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um Kriminelle, geschweige denn um Bandenmitglieder. Darunter sind z.B. ein homosexueller Make-up-Künstler oder ein junger Mann, der als Bäcker gearbeitet hat und eine Woche nach seiner Verhaftung den Termin für seine Anhörung bei der Asylbehörde hatte. Obwohl wir wenig Informationen haben, vermute ich, dass kaum jemand unter diesen insgesamt 251 Personen Mitglied einer gewalttätigen Bande ist. Der Trump-Regierung ist das egal, ihr ging es wiegesagt offenkundig nie um die Bekämpfung von Bandenkriminalität, sondern um die Abschiebung von Venezolanern. Die meisten abgeschobenen Personen waren z.B. nicht wegen Bandenkriminalität oder anderer Straftaten verurteilt oder angeklagt, sondern sind von der Einwanderungsbehörde gleichsam von der Straße weg verhaftet worden. Grundlage hierfür war ein Hinweisblatt an die zuständigen Beamten, laut dem beispielsweise Tätowierungen irgendwelcher Art bereits als starker Hinweis auf eine Mitgliedschaft bei der Tren de Aragua zu werten sind. Wie der Besuch von Kristi Noem beweist, ist der US-Regierung völlig klar, was mit den Leuten, die auf Basis solcher Kriterien verhaftet werden, passiert.
Diese Grausamkeit ist um so schockierender, als offenbar auch die Möglichkeit bestanden hat, venezolanische Staatsangehörige nach Venezuela zu bringen, das Maduro-Regime war nach den Verhandlungen mit Grenell bereit, die Leute in den USA abzuholen. Warum also diese extreme Inhumanität? Ist das Wichtigste aus US-Sicht nicht, dass sie das Land verlassen? Hier scheinen mehrere Aspekte eine Rolle gespielt zu haben. Einmal gab es Widerstand gegen eine Zusammenarbeit mit Venezuela, und es scheint, als hätte sich Rubio mit der Linie durchgesetzt, besser auf die von ihm persönlich verhandelte Lösung zu setzen. Zum zweiten war nach der Ausrufung des Alien Enemies Acts am 16. März (siehe den verlinkten Post oben) unklar, ob venezolanische Flugzeuge in den USA nicht beschlagnahmt werden würden. Und zuletzt, und das dürfte der wichtigste Grund sein, hat der medial begleitete Transport von Migranten nach CECOT blanken Terror unter Migranten in den USA ausgelöst (hier z.B. Bilder von der Ankunft der deportierten Personen). Der Besuch von Kristi Noem hatte nur den einen Zweck, diesen Terror weiter zu verstärken.
Das ist ihnen gelungen. Trotzdem zeigt das Vorgehen der Trump-Regierung, wie dumm und kurzsichtig diese selbst unter Voraussetzung ihrer eigenen Ziele agiert. Statt eine einfache, stabile Lösung zur Abschiebung zu finden, ist sie jetzt in einen Morast von Prozessen verwickelt, die von der Aufklärung der stattgefundenen Abschiebungen über die Anwendbarkeit des Alien Enemies Acts bis zur Verhinderung weiterer Deportationen reichen und die alle nicht im Sinne der Regierung laufen. Von Massenabschiebungen - das Ziel der Trump-Regierung war 1 Million Personen p.a. - kann keine Rede sein. Selbst das Oberste Gericht, auf das Trump glaubte, sich verlassen zu können, hat bereits zweimal gegen die Regierung entschieden. Das heißt allerdings nicht, dass die Regierung bereit ist, ihre Linie zu korrigieren, vergangenen Schaden wieder gut zu machen oder auch nur Informationen über das Abkommen mit El Salvador oder womöglich weiteren Ländern mitzuteilen. Die Trump-Regierung stellt sich auf den Standpunkt, dass sie bestimmen könne, wer eine Gefahr für das Land ist und wer nicht und auf dieser Basis komplette Handlungsfreiheit hätte. Sie sei zudem nicht verpflichtet, irgendwelche Informationen hierüber mitzuteilen. Zuletzt könne sie auch die Verfassung, insbesondere das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren (siehe den ausnehmend klar formulierten fünften Verfassungszusatz, in dem eindeutig von allen Personen, nicht nur von Staatsangehörigen die Rede ist) zur Not hierfür außer Kraft setzen. Auf die Frage, ob Trump beabsichtige, die Verfassung zu respektieren, antwortet dieser in dem NBC-Interview - siehe meinen letzten Post - tatsächlich mit “I don’t know.”. Mit anderen Worten, die Regierung glaubt, sie könne machen, was sie will und müsse sich nicht an Gesetze oder Verfassung halten.
Der Kampf zwischen Justiz und Regierung ist noch nicht entschieden, aber diese Haltung und die Unnachgiebigkeit, mit der sie vertreten wird, ist die derzeit größte Bedrohung für den Rechtsstaat in den USA. Wenn die Regierung mit ihren Positionen durchkommt, kann sie frei bestimmen, wen sie als Gefahr sieht und diese Personen einfach außer Landes nach CECOT oder in ähnliche Gefängnisse in anderen Ländern bringen (Libyen?, Saudi-Arabien?). Sind die Menschen erst dort, erklärt das Weiße Haus, sie hätten jetzt keine Gewalt mehr über diese Personen und könnten leider nichts machen. Trump hat bereits bekundet, er könne sich auch die Abschiebung von US-Amerikanern vorstellen. Mit anderen Worten, setzt sich die Regierung durch, ist niemand mehr sicher in den USA. Dass Stephen Miller nun erklärt, man prüfe die Aussetzung von Habeas Corpus (nach herrschender Lehre ein Recht des Kongresses, nicht des Präsidenten), zeigt, dass die Regierung weiter eskaliert.
Eine letzte Bemerkung, auch in Richtung Deutschland und Europa. Es ist kein Zufall, dass diese Zuspitzung beim Thema Migration erfolgt. Diese Frage ist Kern der rechten Bewegungen, das ist ihre Programmatik, dafür werden sie gewählt und hier fühlen sie sich ihren Anhängern verpflichtet. Mehr noch, wenn es ein Thema gibt, in dem nicht nur der Kern der eigenen Anhänger, sondern die breite Bevölkerung Trump unterstützt, dann ist es dieses. Trotz all der plakativen Grausamkeit und trotz der großen Gefahren für die Rechtsordnung. Biden hat die Sprengkraft des Themas hingegen komplett unterschätzt und es einfach laufen lassen, bis es längst zu spät war, ein Versäumnis, das nachweislich wesentlich zur Wahlniederlage von Harris beigetragen hat. Diesen Fehler sollte man nicht noch einmal machen. Migration muss kontrolliert werden, und zwar nach den Maßstäben, die sich eine Gesellschaft gibt. Sobald sich das Gefühl ausbreitet, dass der Staat die Kontrolle über Grenzen und Zuwanderung verloren hat (Flüchtlingstrecks auf dem Weg in die USA, tägliche massenhafte und völlig ungehinderte Überquerungen des Rio Grande, alles eingefangen von Fernsehkameras), dass mehr oder weniger kommen kann, wer will, schlägt die Stunde rechter Parteien und Kandidaten. Und diese sind nicht nur zu einer Politik der äußersten Inhumanität bereit, sondern auch, Demokratie und Rechtsstaat insgesamt in Frage zu stellen.