Donald Trump hatte sich mehr versprochen. Drei der neun RichterInnen am Obersten Gericht der USA sind von ihm nominiert worden. Aus Sicht von Trump schafft das ein Patronage-Verhältnis. Im letzten Jahr ist das Oberste Gericht (Supreme Court of the US = SCOTUS) zudem Trump gefolgt und hat mit dem Immunitätsurteil Rechtsgeschichte geschrieben. US-Präsidenten stehen ab sofort über dem Gesetz, d.h. sie können für offizielle Handlungen während ihrer Amtszeit nicht mehr strafrechtlich belangt werden. Soweit alles gut. Jetzt aber werden die Richter und Richterinnen plötzlich renitent.
In einer 7:2 Entscheidung, in der erneut alle drei der in der ersten Amtszeit von Trump ernannten Richter gegen ihn gestimmt haben, hat das Gericht verfügt, dass die Regierung keine weiteren Abschiebungen auf Basis des Alien Enemies Acts (AEA, dieser Kanal hat hierüber breit berichtet) vornehmen kann, ohne den Betroffenen ausreichend Gelegenheit zu geben, dagegen gerichtlich vorzugehen. Der 5. Verfassungszusatz gelte für alle, nicht nur für US-Bürger. Solange diese Rechtsfragen nicht abschließend geklärt sind, hat SCOTUS zudem weitere Deportationen verboten. Da er in der Sache der Anwendbarkeit des AEA keine Entscheidung getroffen, sondern wieder an die unteren Gerichte verwiesen hat, sind damit Abschiebungen auf Basis des AEA auf längere Sicht nicht mehr möglich.
Um das Maß voll zu machen, hat SCOTUS eine Argumentation der Trump-Regierung prompt gegen diese gewendet. Das Justizministerium hatte im Fall des irrtümlich abgeschobenen Abrego Garcia argumentiert, sie könnten der kürzlichen Aufforderung von SCOTUS, den Mann zurückzuholen, leider nicht nachkommen, weil dieser sich jetzt in der Gewalt eines anderen Staates befände und da könne man nun mal nix mehr machen. Wenn das so sei, hat SCOTUS jetzt trocken bemerkt, dann stünden hier offensichtlich so schwerwiegende Interessen der Betroffenen auf dem Spiel, dass das Vorgehen der Trump-Regierung nicht den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Prozess entspräche.
Ok, das war eine kalte Dusche.
Um es zurückhaltend zu formulieren, diese Entscheidung ist bei Donald Trump nicht gut angekommen. Hier ein Post von Truth Social (Hervorhebungen von mir):
The Supreme Court has just ruled that the worst murderers, drug dealers, gang members, and even those who are mentally insane, who came into our Country illegally, are not allowed to be forced out without going through a long, protracted, and expensive Legal Process, one that will take, possibly, many years for each person, and one that will allow these people to commit many crimes before they even see the inside of a Courthouse. The result of this decision will let more CRIMINALS pour into our Country, doing great harm to our cherished American public. It will also encourage other criminals to illegally enter our Country, wreaking havoc and bedlam wherever they go. The Supreme Court of the United States is not allowing me to do what I was elected to do.
Und folgenden Beitrag des Juristen (!) und MAGA-Aktivisten Mike Davis hat er sofort ebenfalls repostet
Let’s get this straight:
Obama can drone strikes Americans.
But Trump can’t repel foreign terrorists.
Biden can import over 10 million illegal aliens.
But Trump can’t send them home without years of court process.
The American people never agreed to this.
Not at our founding.
Not after the Civil War.
Not anytime since then.
Certainly not in the last election.
The Supreme Court is heading down a perilous path.
Beide hervorgehobenen Sätze klingen ominös. Genau wie die Mafia-Stil-Warnung von Stephen Miller: Wenn die Gerichte nicht täten, “was richtig ist”, würde man über eine Aufhebung von Habeas Corpus nachdenken, also genau dem Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, das SCOTUS einfordert. Und damit hätte man nicht nur einen einzelnen Verfassungsartikel außer Kraft gesetzt, sondern die Gewaltenteilung gleich dazu. Begründung: der Wahlsieg von Trump gebe ihm das Recht, sich über solche formalen Hindernisse hinwegzusetzen. Alles andere sei undemokratisch.
Und jetzt?
Nun, eine Seite muss nachgeben, und ich glaube nicht, dass es das Gericht sein wird. Trump hat weder in der Bevölkerung noch in den Apparaten die Unterstützung, um mal eben so einen Putsch durchzuführen, weil seine Regierung mit ihrer Politik bereits nach drei Monaten gescheitert ist und jetzt nicht mehr weiter weiß. Ich glaube auch nicht, dass er den Mut dazu hat, wenngleich es andere geben mag, die dazu bereit wären. Die Regierung wird das Urteil widerwillig respektieren und innerhalb des Systems versuchen, dagegen vorzugehen. Am Ende gibt es viel Getöse und hässliche Worte, aber SCOTUS setzt sich durch.
Und das wird nicht das letzte Mal sein. Am Freitag hat SCOTUS über einen Fall im Kontext des 14. Verfassungszusatzes beraten, in dem festgelegt ist, dass jede Person, die in den USA geboren wird, ipso facto US-Bürger/in ist. Der konkrete Fall weist zusätzliche Facetten auf, die ihn kompliziert machen, aber irgendwann wird SCOTUS darüber entscheiden, ob Trumps Versuch, diese Bestimmung aus eigener Machtvollkommenheit einfach mal abzuschaffen, verfassungsgemäß ist. Und dann kann sich “der größte Präsident aller Zeiten” auf die nächste Niederlage einstellen.
All das sagt uns etwas über die Amtsführung von 47 und seinem Team. Die Regierung ist chaotisch. Sie hat keine Geduld. Sie arbeitet nicht systematisch und langfristig. Stattdessen geht sie immer nur mit der Brechstange und einem bemerkenswerten Ungeschick vor. Von den Zöllen über Inflation bis zu Abschiebungen scheitert ihre Politik auf ganzer Linie. Wenn es nicht mehr weiter geht, greift sie sofort zu massiven Drohungen und Einschüchterungen. Aber am Ende zuckt sie doch.
Verschiedene Kommentatoren sehen die USA auf dem Wege Ungarns. Es ist nach gerade vier Monaten noch viel zu früh, hierüber ein Urteil zu fällen, und natürlich gibt es auch gute Argumente für diese These. Unbestritten wären Trump und MAGA dazu sofort bereit. Sie möchten eine autoritäre Herrschaft oder besser gesagt, sie möchten IHRE autoritäre Herrschaft. Das heißt aber nicht, dass sie Erfolg haben werden. Derzeit haben sie in hierfür einfach nicht die Ressourcen. Und mein Eindruck ist, am Ende fehlen ihnen der Plan, die Geduld und das Geschick, die Resilienz einer 240 Jahre alten Demokratie mit festen Institutionen und ganz tief verankerten Traditionen langsam und Schritt für Schritt zu überwinden, wie es Orban getan hat.
TBC