Ursprünglich sollte mein Resümee der ersten 5 Trump-Monate nur zwei Teile haben, jetzt werden es drei, das Thema Polarisierung braucht zu viel Platz. Deshalb heute ein kurzer Post zur Veränderung der internationalen Ordnung durch die Trump-Regierung.
Eine der auf Dauer bedeutsamsten Konsequenzen dieser Amtszeit ist der noch feine, aber tiefe Riss zwischen den USA und ihren bisherigen Verbündeten in Europa und . Asien. Das atlantische Bündnis, vulgo der Westen, ist nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen worden, um den freien Teil Europas zu einen und Europa und Nordamerika wirtschaftlich und sicherheitspolitisch zusammenzuschließen. Dieses Modell hat uns Frieden und Wohlstand gebracht. Es hat allerdings auch davon gelebt, dass Europa sich darauf verlassen konnte, dass die USA Verantwortung für dieses System übernehmen, politisch, aber auch militärisch. Und diese Voraussetzung gilt nicht mehr. Trumps Isolationismus, sein Streben, Dinge kaputt zu machen, seine Ablehnung von Bündnissen, sein Glaube, dass die Europäer die USA ausnutzten und die USA alleine stärker sind sowie seine offensichtliche Sympathie für Diktaturen haben zur Folge, dass sich europäische und asiatische Verbündete politisch, wirtschaftlich und militärisch nicht länger auf amerikanischen Beistand verlassen können. Die inszenierte Demütigung Selenskys im Oval Office sowie die Verkündigung drastischer Zölle gegen alle bisherigen Verbündeten - aber nicht gegen Russland - haben das nachdrücklich illustriert, und das Bild ist in den Monaten darauf nur bestätigt worden, die USA lassen die Ukraine alleine, wenden sich von Europa ab und suchen stattdessen gute Beziehungen zu Russland. Die Strategie der NATO-Partner in der ersten Amtszeit von Trump, nämlich den Kopf einziehen und hoffen, dass es schon irgendwie gut ausgeht, trägt jetzt nicht mehr, die scheinbare Rückkehr zur Normalität unter Biden war nur ein Intermezzo, ein letzter Gruß des alten Systems. Wer in dieser Situation noch auf den eh windelweich formulierten Art. 5 des NATO-Vertrages setzt, ist außerordentlich optimistisch.

Die Wege der USA und Europas trennen sich also. Wir sind in eine Übergangsphase eingetreten, die einige Jahre andauern wird und an deren Ende eine Welt steht, die der vor den beiden Weltkriegen ähnelt. Keine festen Blöcke, viele kleine und große Mächte. Eine Rückkehr in den Hobbes’schen Naturzustand mit vielen Akteuren, die um Macht kämpfen, und sei es nur, um sich vor anderen Akteuren zu schützen. Keine stabile Welt. Ich glaube, dass dieser Prozess nicht mehr reversibel ist. Aber nicht nur ich denke so, auch die aktuelle Ausgabe von Foreign Affairs widmet sich genau dieser Frage und thematisiert dabei noch einen weiteren Aspekt, der sich schon in den Überschriften äußert. Die Artikel dort tragen Titel wie “Die entbehrliche Nation” oder “Das Ende des amerikanischen Jahrhunderts”. Wie die Autorin eines dieser Artikel so trocken bemerkt:
The Trump administration seems to believe that if Washington forces its allies to stand on their own, they will make choices that benefit the United States. That is unlikely to be true.
Es ist also nicht nur die Welt von gestern vorbei, Trump sorgt mit seinem Brachialvorgehen auch dafür - darin sind sich alle Artikel einig -, dass die USA selbst ganz erheblich an politischem, wirtschaftlichem, kulturellem und militärischem Einfluss verlieren. Die USA können auf Dauer nicht gleichzeitig alle bündnispolitische Verantwortung mit den Füßen treten, aber ihre Führungsrolle behalten. Das ist bei Trump noch nicht angekommen, er glaubt, er könne andere Länder einfach zwingen, zu tun, was er will. Siehe z.B. seine Zollpolitik, wo diese Strategie ganz deutlich hervortritt. Aber das wird höchstens kurzfristig funktionieren. Was wir erleben, dürfte auf Dauer das Gegenteil sein, nämlich in der Tat das Ende des amerikanischen Jahrhunderts. Denn selbst wenn der nächste Präsident von den Demokraten kommt, ist der Schaden da. Einmal Trump mag ein Unfall sein, zweimal Trump ist eine amerikanische Selbstauskunft. Ob Europa der Aufgabe dieser Transformation in die Selbständigkeit gewachsen ist, bleibt natürlich abzuwarten. China und Russland jedenfalls bedanken sich.