Kann Trump ein drittes Mal Präsident werden?
Nur mit der Hilfe von anderen und sehr viel Glück
Trump hat erneut öffentliche Überlegungen zu (s)einer dritten Amtszeit angestellt. Warum er das immer wieder tut, dazu später mehr, zunächst aber zur eigentlichen Sachfrage: Gibt es einen Weg, wie Trump über den 20. Januar 2029 hinaus Präsident der USA bleiben kann? Die einfache Antwort ist: ja, es gibt sogar mehrere. Es ist nur nicht sehr wahrscheinlich. Allerdings muss man etwas genauer hinsehen, um die Plausibilität und Risiken der verschiedenen Möglichkeiten bewerten zu können. Weil ich LeserInnen nicht mit seitenlangen verfassungsrechtlichen Erörterungen langweilen will, stelle ich einfach die sechs Szenarien vor, die meines Erachtens die wichtigsten Möglichkeiten abdecken und gebe dem jeweiligen Szenario am Ende eine Wahrscheinlichkeit. Auf Variationen, Sonderfälle, Szenarien innerhalb der Szenarien etc. ignoriere ich, weil sie m.E. für das große Bild nicht ins Gewicht fallen. Außerdem kann es natürlich sein, dass die Trump-Berater, die diese Frage offenbar seit Wochen intensiv diskutieren, schon längst die zündende Idee für das siebte Szenario hatten, auf das ich noch überhaupt nicht gekommen bin. Müssen wir abwarten. Los geht’s.

Szenario 1: Verfassungsänderung
Die Begrenzung auf zwei Amtszeiten ist erst 1951 per Verfassungsänderung ratifiziert worden, auf demselben Weg kann man die Vorschrift natürlich auch wieder kippen. Das setzt allerdings eine 2/3-Mehrheit beider Häuser des Kongresses plus eine 3/4-Mehrheit der Bundesstaaten voraus, ein Prozess der Jahre dauert. Zudem ist es in den hyperpolarisierten USA derzeit praktisch ausgeschlossen, dass solche Mehrheiten zustande kommen, die USA können froh sein, wenn sie einen Haushalt verabschieden. Dass der republikanische Abgeordnete Ogles genau eine solche Verfassungsänderung initiiert hat, ist rein performative Politik, um Trump in den Arsch zu kriechen. Wahrscheinlichkeit: 1%.
Szenario 2: Das George-Wallace-Modell
George Wallace war ein Politiker der Demokraten, der in der Zeit der Bürgerrechtsbewegung für die strikte Rassentrennung eingetreten ist. Nachdem er als Gouverneur von Alabama nicht mehr kandidieren durfte, hat er seine Frau kandidieren lassen, die auch prompt in das Amt gewählt wurde (der kreative Umgang mit Verfassungen ist in den USA nichts neues). Natürlich war es George Wallace selbst, der das Amt de facto ausgeübt hat, jedenfalls bis seine Frau an Krebs gestorben und das ganze Modell kollabiert ist. Trump könnte z.B. einen seiner Söhne vorschicken, ihn wählen lassen, um dann ebenfalls ein Büro im Weißen Haus zu beziehen und als “Berater” tätig zu sein. Daran ist nichts Illegales. Allerdings setzt es vier Dinge voraus: 1) die Nominierung einer Frontfigur als Präsidentschaftskandidat durch die Republikaner, 2) einen Wahlsieg, 3) die kontinuierliche Kooperation durch seinen Sohn oder wen auch immer, und 4) die Bereitschaft von Trump, sich mit einer nominell untergeordneten Rolle zufrieden zu geben. Vor allem letzteres passt ganz und gar nicht zu ihm. Die Wahrscheinlichkeit bewerte ich deshalb als ziemlich gering, sagen wir 5%.
Szenario 3: Wahl zum Vizepräsidenten
In eine ähnliche Richtung geht das Modell, das derzeit in den Medien diskutiert wird. Die Republikaner nominieren eine Person, sagen wir Vance, als Präsidentschaftskandidaten und außerdem Trump als Vizepräsidenten. Sobald Vance gewählt ist, tritt dieser zurück und Trump übernimmt ganz legal auf dem verfassungsrechtlich vorgesehenen Wege die Präsidentschaft. Um eine längere Diskussion um die genauen Formulierungen im 22. Verfassungszusatz, der die Amtszeiten begrenzt, sowie dem 25. Verfassungszusatz, der die Nachfolge des Präsidenten regelt, abzukürzen, ja - das geht wahrscheinlich auch, insbesondere, wenn man einem textorientierten Verständnis der Verfassung folgt, wie es das Oberste Gericht gerne tut. Eine Unsicherheit liegt allerdings im letzten Satz des 12. Verfassungszusatz, in dem es heißt:
(…) no person constitutionally ineligible to the office of President shall be eligible to that of Vice-President of the United States.
Dieser Verfassungszusatz ist von 1804, lange vor der Normierung der Amtszeiten. Hat der 22. Zusatz also den 12. Zusatz um ein weiteres Kriterium (maximal zwei Amtszeiten) nachträglich ergänzt oder gelten bei der Auslegung dieser Bestimmung nur die Kriterien, die damals den Zugang zum Präsidentenamt begrenzt haben (Alter usw.)? Und welche Rolle spielt der genaue Weg, auf dem eine Person zum dritten Mal Präsident wird (Wahl vs. Nachfolge)? Mit anderen Worten, der Versuch, auf diesem Wege Präsident zu bleiben, landet mit Sicherheit vor dem Obersten Gericht, das dann eine Reihe schwieriger verfassungsrechtlicher Fragen zu entscheiden hat. Kann gut sein, dass es das im Sinne von Trump tun würde, sicher ist es aber nicht.
Und natürlich hängt auch dieser Weg von zwei weiteren Voraussetzungen ab: 1) Wahlsieg, und 2) Kooperation des gewählten Präsidenten. Selbst wenn wir diese Kooperation mal annehmen, ist es sehr ungewiss, ob alle Republikaner bzw. die amerikanischen Wähler insgesamt solche offensichtlichen Tricks belohnen würden. Dies gilt natürlich besonders, wenn Trump allein aufgrund seiner Politik in der zweiten Amtszeit unpopulär wäre, wonach es bisher aussieht. Wahrscheinlichkeit höchstens 20%.
Szenario 4: Erzwungenes Urteil des Obersten Gerichts
Denkbar wäre, dass Trump und die Republikanische Partei die Amtszeitbegrenzung einfach ignorieren und Trump 2028 wieder als Kandidat antritt. Demokratisch regierte Bundesstaaten würden sich dann weigern, ihn auf ihre Wahlzettel zu nehmen. Hiergegen würden die Republikaner klagen, schließlich solle das Volk entscheiden, wer Präsident wird, und nicht irgendwelche Wahlbehörden in den Bundesstaaten. Der Fall landet nach zwei Instanzen beim Obersten Gericht, das dann über die Verfassungsmäßigkeit des 22. Verfassungszusatzes insgesamt zu entscheiden hätte.
Nun kann es natürlich sein, dass die RichterInnen einen Weg finden, den 22. Zusatz zu streichen, es wäre aber sehr, sehr ungewöhnlich. Denn der 22. Zusatz ist kein untergeordnetes Gesetz, er ist Verfassung, und was immer das Gericht vermag, es vermag definitiv nicht, die Verfassung selbst außer Kraft zu setzen. Die entscheidende Formulierung ist zudem ausnehmend klar. Sie lautet:
No person shall be elected to the office of the President more than twice (…)
Genau diesem Passus würde Trump sich widersetzen und versuchen, ein drittes Mal gewählt zu werden. Ich sehe nicht, wie das mit dem Wortlaut zu vereinbaren ist. Und auch hier gilt natürlich zusätzlich, dass dieses Szenario einen Wahlsieg voraussetzt. Angesichts der semantischen Klarheit des 22. Zusatzes fällt das aber gar nicht mehr ins Gewicht. Wahrscheinlichkeit 5%.
Szenario 5: Wahl durch den Kongress
Manche mögen sich noch an die Wahl 2020 erinnern und Trumps Versuch, Vizepräsident Pence als Vorsitzenden des Senats dazu zu bringen, Elektorenstimmen für Biden zurückzuweisen und entweder Trump einfach zum Präsidenten auszurufen oder eine Wahl des Präsidenten durch den Kongress zu veranlassen. Wäre das wieder möglich? Diese Dinge sind im 12. Zusatz geregelt. Danach fällt die Aufgabe, den Präsidenten zu bestimmen, an das Repräsentantenhaus, wenn keiner der Präsidentschaftskandidaten eine absolute Mehrheit der Stimmen im Wahlmännergremium erzielt hat. Das Haus muss dann gemäß der Stimmenverteilung im Wahlmännergremium aus den drei höchstplatzierten Kandidaten wählen. In dieser Wahl ist das Repräsentantenhaus frei, es kann aber nicht einfach einen neuen Kandidaten hinzufügen. Szenario 5 läuft damit auf Szenario 4 hinaus, Trump müsste überhaupt antreten dürfen. Für den extrem unwahrscheinlichen Fall, dass weder Trump noch der Kandidat der Demokraten eine Mehrheit der Stimmen im Wahlmännergremium bekäme, könnte dann das Haus in der Tat Trump zum Präsidenten wählen, aber die eigentliche Strategie wäre natürlich ein einfacher Wahlsieg, also Szenario 4. Wahrscheinlichkeit 0,1%.
Szenario 6: Die “nuclear option”
Alle bisherigen Möglichkeiten setzen voraus, dass Trump auf Basis der Rechtsordnung einen Weg findet, eine dritte Amtszeit anzutreten. Die “nuclear option” besteht darin, diese Voraussetzung fallen zu lassen und in einen Zustand des offenen Verfassungsbruches überzugehen. Hierunter fallen Szenarien wie der Versuch, die Wahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben, die eigenmächtige Verlängerung der Amtszeit oder eine direkte, gewaltsame Machtergreifung. Ganz egal, wie Trump ein solches Vorgehen begründen würde (Krieg, innere Unruhen, angeblicher Putsch der Gegenseite etc.), es würde sich in jedem Fall um einen eindeutigen Bruch der Verfassung handeln. Die Amtszeit des Präsidenten ist laut Artikel II, Section 1, Satz 2 der Verfassung auf vier Jahre begrenzt und keinen Tag länger. Nun wäre Trump nicht der erste Politiker, der die Macht einfach an sich reißt, aber das Wagnis wäre enorm, insbesondere, wenn er nicht wie Caesar, Cromwell oder Pinochet über loyale Truppen verfügt, die seinem Willen Nachdruck verleihen. In der Realität würde ein erheblicher Teil des Landes, einschließlich zahlreicher Bundesstaaten, ein solches Vorgehen schlichtweg nicht akzeptieren. Das wahrscheinlichste Ergebnis eines solchen Staatsstreichs wäre, dass Trump direkt verhaftet würde, möglich wären aber auch Unruhen und bürgerkriegsähnliche Zustände. Mit anderen Worten, ein solcher Bruch der Bruch der Verfassung wäre eine Verzweiflungstat mit sehr ungewissem Ausgang für ihn, seine Familie und seine Unterstützer. Wahrscheinlichkeit 5%.
Unterm Strich sind die Aussichten von Trump auf eine dritte Amtszeit also ziemlich trübe. Selbst das wahrscheinlichste Szenario setzt die Unterstützung des Obersten Gerichts und einer Person, die als Frontfigur dient, voraus plus einen Wahlsieg. Und natürlich gilt, dass alles, was Trump kann, auch andere können, z.B. Obama.
Es besteht also kein Grund, Trumps Gerede sonderlich ernst zu nehmen. Seine Motivation, immer wieder von einer dritten Amtszeit zu sprechen, dürfte, wie die New York Times so treffend zusammengefasst hat, ganz andere Gründe haben. Einmal lenkt es wunderbar von anderen Diskussionen ab, gerade solchen, bei denen die Trump-Regierung nicht gut aussieht (Erinnert sich noch jemand an die Signal-Chat-Affäre? War erst letzte Woche). Und zum anderen verhindert es oder verzögert es zumindest, dass sich die möglichen Nachfolger von Trump allmählich in Stellung bringen. Bei den Demokraten hat das Rennen um die nächste Präsidentschaftskandidatur bereits ganz leise begonnen, bei den Republikanern noch überhaupt nicht. So lange Trump mit dem Gedanken einer dritten Amtszeit spielt, bleibt er vorerst die unangefochtene Führungsfigur der Republikaner, selbst wenn es im Grunde keine realistische Option auf eine Verlängerung gibt. Aber man weiß ja nie.