Das Wesen des Politischen ist nach Carl Schmitt die Unterscheidung zwischen Freund und Feind. Wie immer man über diese Begriffsbestimmung denken mag, auf die USA trifft sie zu. Die Ereignisse rund um den Verteidigungsminister Hegseth illustrieren das perfekt.
Pete Hegseth, 44 Jahre, verheiratet in dritter Ehe, sieben Kinder, Veteran des Irak-Krieges unter Bush, wo er mit dem Bronze Star für Tapferkeit im Einsatz ausgezeichnet wurde, Princeton-Absolvent und späterer Fox-News-Moderator erweist sich als größte personelle Belastung der Trump-Regierung. Eine ganz kurze Rekapitulation: Nach der Nominierung kommen schnell Berichte über ein Alkoholproblem und Gewalt gegen Frauen an die Öffentlichkeit. Die Nominierung ist nur erfolgreich, weil Trump, nach einem Moment des Zögerns, in dem er daran denkt, Hegseth durch DeSantis zu ersetzen, seine ganze Macht zugunsten von Hegseth mobilisiert. Kaum im Amt, lässt der neue Verteidigungsminister Webseiten des Pentagon von Bildern weiblicher oder schwarzer Soldaten säubern. Als nächstes entlässt er verschiedene Top-Generäle. Ein Termin, bei dem Elon Musk streng geheime Informationen zu China erhalten soll, wird erst vom Weißen Haus gestoppt. Dies kommt prompt an die Öffentlichkeit. Dann platzt die Bombe mit dem Signal-Chat, den zwar Sicherheitsberater Mike Waltz eingerichtet, aber in dem Hegseth alle kritischen Informationen eingestellt hat. Als er idiotischerweise behauptet, genau das nicht getan zu haben, veröffentlicht The Atlantic einfach die Protokolle. Seitdem mehren sich Berichte über personelle Turbulenzen im Pentagon. Am vergangenen Freitag schmeißt Hegseth plötzlich drei seiner engsten und langjährigsten Weggefährten raus. Sein Umfeld versucht, Gerüchte zu streuen, dass es diese drei waren, die die Presse über das geplante Treffen mit Musk informiert haben. Ein vierter verlässt das Pentagon freiwillig und schreibt über seine Erfahrungen in Politico, weitere Rücktritte und Rauswürfe stehen laut Insidern bevor. Derweil dringen immer mehr Informationen nach außen, wonach weder Hegseth noch sein Stabschef in der Lage wären, irgendetwas zu koordinieren oder zu entscheiden. Zur Krönung berichtet die New York Times, dass Hegseth in einem weiteren und diesmal von ihm selbst eingerichteten privaten Signal-Chat die genauen Flugdaten des Angriffs auf die Houthi-Rebellen verbreitet hat. Warum er sowas tut, weiß keiner, Empfänger sind aber etwa 12 Peronen, darunter seine Frau, eine Produzentin bei Fox News.
Es ist offensichtlich, dass Hegseth mit seinem Job überfordert ist. Das hat inzwischen auch das Weiße Haus gemerkt. Trump hält - bis auf weiteres, und das kann der nächste Post auf Truth Social sein - trotzdem an ihm fest. Einmal mag er ihn und findet, dass Hegseth im Fernsehen gut aussieht (ganz recht, für Trump ist das wichtiges Kriterium). Zum anderen sind weder Trump noch seine Berater bereit, jemanden in die Wüste zu schicken, weil die “Fake-News-New-York-Times”, also der Feind, kritisch über ihn berichtet. Und zuletzt würde ein Rauswurf nach gerade drei Monaten unweigerlich auf den Präsidenten selbst zurückfallen, in diesem Fall ganz besonders. Woran man unter Trumps Beratern eher zu denken scheint, ist Hegseth nominell als Verteidigungsminister zu behalten, aber die eigentlichen Amtsgeschäfte künftig von seinem Vertreter führen zu lassen.
Was hat das mit Carl Schmitt zu tun? Nun, all diese Ereignisse werden durch eine absolute Freund-Feind-Dichotomie getrieben. Hier geht es nicht um Wahrheit, um Konsistenz oder um die Sache, es geht darum, wer gehört zum Wir und wer gehört zum Feind. Dieser Kategorie wird alles andere untergeordnet. Hegseth ist inkompetent - egal. Clintons Emails waren ein Witz im Vergleich zu Hegseths Verhalten - genauso egal. Die New York Times fördert Informationen über Hegseth zu Tage - ein infamer Angriff der Lügenpresse. Ob es in der Sache stimmt, ist völlig irrelevant. Mit anderen Worten, Trump und sein Umfeld verstehen Politik nicht als vernünftigen Diskurs, nicht als Ringen um die beste Lösung, nicht als Dienst am Land, sie verstehen Politik als Krieg. Einen Krieg, den nicht nur sie führen, sondern auch die Gegenseite, deshalb passieren aus ihrer Sicht ja all diese Dinge. Und die Aufgabe in einem Krieg ist nicht, das beste Argument zu haben, sondern den Gegner zu vernichten. Wer in dieser Situation rational argumentieren will, quasi als Appell an die Vernunft der Gegenseite, zeigt, dass er/sie einem anachronistischen und naiven Politikverständnis folgt, das vielleicht in “Democracy 101” gelehrt wird, aber mit der Wirklichkeit in Washington nichts zu tun hat.
Aber machen wir uns nichts vor. Die Gegenseite tut das Gleiche. Hegseth hat ja in einem völlig Recht. Die Jagd ist eröffnet, und er soll mit anonymen Hinweisen zur Strecke gebracht werden. Diese Dinge kommen nicht irgendwie zufällig raus. Da ist jedes Mal eine Person, die im genauen Wissen, was das für Hegseth oder Trump bedeutet, interne Informationen an die Presse gibt, damit diese sie veröffentlicht und damit möglichst großen Schaden im gegnerischen Lager anrichtet. Unklar ist nur, wer das in diesem Falle ist, zum Teil scheinen es Kämpfe innerhalb von MAGA selbst zu sein (z.B. der angesprochene Politico-Artikel). Möglicherweise sind es mehrere Personen, die ganz unabhängig agieren, jeder mit eigener Agenda. Nur die Demokraten scheinen damit, nach allem, was man weiß, nichts zu tun zu haben.
Es wirkt, als sei am Wochenende ein Damm gebrochen. Die amerikanischen Medien berichten derzeit kontinuierlich über den Verteidigungsminister und berufen sich auf immer neue Hinweise. Trump wird alles versuchen, seinen Mann zu halten. Aber es wird ihm schwer fallen.
For every action there’s an equal and opposite reaction. And the first 100 days have been action-packed. Also: Bitte anschnallen! 😁