Die Demokraten haben es nicht leicht. Sie müssen nach ihrer Niederlage einen Weg in die Zukunft finden und sie müssen zugleich die Rolle der Opposition in der Trump-Revolution erfüllen. Beides ist nicht nur allein sehr schwierig, im Grunde widersprechen sich diese Aufgaben auch. Denn während die Findungsphase Zeit braucht, damit die Partei sich inhaltlich und personell sortieren kann, setzt wirkungsvolle Opposition bereits die Ergebnisse dieser Sortierung voraus. Die gibt es aber nicht, sondern nur sehr verschiedene Meinungen über den richtigen Kurs. Die Konsequenz ist ein Haufen Hühner, die laut gackernd und sehr entschlossen in völlig unterschiedliche Richtungen laufen
Das liegt auch an einer Besonderheit der US-Politik. Parteien haben nicht die gleiche Rolle wie in Europa. Es sind mehr Organisationszentralen als Orte, in denen mächtige Vorsitzende eine nationale Programmatik und Strategie entwickeln. Die AnführerInnen einer Partei in den USA sind nicht deren Vorsitzende, sondern die Präsidentschaftskandidaten bzw. Präsidenten bzw. in einer zweiten Ebene wichtige Amtsträger wie Gouverneure, herausgehobene Abgeordnete usw. Dass eine Person ihre Partei auch in der Opposition so beherrscht, wie Trump die Republikaner zwischen 2016 und 2020 ist die Ausnahme, die Demokraten haben keine entsprechende Figur.
Wo ist Obama?
Der Zustand der Demokratischen Partei ist ein Thema für sich. Aber in diesem Thema und seinen diversen Facetten steckt auch eine Nebenfrage: Wo, verdammt nochmal, sind die Ex-Präsidenten? Clinton und Biden sind m.E. aus Altersgründen entschuldigt. Bleibt Obama
Nun, der oder die nächste PräsidentschaftskandidatIn kommt erst in drei Jahren, bis dahin liegt es also an den vielen unterschiedlichen Führungspersonen von Gavin Newsom bis Hakeem Jeffries mit der Situation umzugehen. Eine Instanz, die jetzt die Richtung vorgibt, gibt es nicht.
Den für mich interessantesten Debattenbeitrag zur Ausrichtung der Demokraten, hat James Carville geliefert. Der mittlerweile 80 Jahre alte Wahlkampfberater von Bill Clinton (“It’s the economy, stupid”) sagt, die Demokraten sollten erstmal gar nichts tun, die in der Tat beeindruckende Inkompetenz von Trump und seinem Team macht die ganze Arbeit für sie. Vor allem sollten Demokraten genau darauf achten, nicht selbst Thema des News Cycles zu werden, wie es, angefangen mit der plötzlichen Entscheidung von Chuck Schumer, den Übergangshaushalt der Reps zu unterstützen, in den letzten Wochen immer wieder der Fall war. Es dürfe nur ein Thema geben, die beschissene Wirtschaftslage und die großen Versprechen des Donald Trump. Ende 2025, Anfang 2026, wenn die Lage so richtig mies geworden sei, könne man dann zum Frontalangriff auf Trump und Republikaner übergehen.
Das ist klug, wenn auch auf recht machiavellistische Weise. Allerdings geht es komplett an der Gefühlslage der Basis vorbei. Dort brodelt es, und zwar mächtig. Man hat die Schnauze voll von Politikern wie Schumer etc., die immer irgendeine Entschuldigung finden, dem Feind entgegenzukommen, während Trump das Land zertrümmert. Die Anführer der Partei sollen in den Krieg ziehen, statt maliziös lächelnd dem Untergang der Republikaner zuzusehen.
In diesem Dreieck: Vertrauen, dass Trump den Dems die Oppositionsarbeit gegen ihn im Grunde selbst abnimmt und man nur die öffentliche Aufmerksamkeit dorthin lenken müsse, über radikalen Widerstand, zur Not auch gegen die “Kollaborateure” in den eigenen Reihen, bis zur ebenfalls vorhandenen Bereitschaft, mit Trump zusammenzuarbeiten, bewegen sich derzeit die Reaktionen der Demokraten. Ich hatte ursprünglich vor, die einzelnen Lager abzugrenzen und deren Vertreter vorzustellen, aber ich glaube, das würde jetzt zu langatmig. Von revolutionären Schlachtrufen (Fighting-Oligarchy-Tour, Sanders und AOC) über dramatische, aber im Kern leere Gesten (der Filibuster von Cory Booker) bis zum schon erniedrigenden Buhlen um Trumps guten Willen (Gretchen Whitmer, Gouverneurin von Michigan) ist alles dabei.
Stattdessen möchte ich zwei Eindrücke thematisieren, die sich im Zuge meiner Beschäftigung mit den Demokraten verfestigt haben. Erstens, es ist schlicht unrealistisch zu erwarten, dass nach einer so tief sitzenden Wahlniederlage und deren mannigfachen Gründen die Demokraten aus dem Stand eine geeinte und wirkungsvolle Strategie auf die Beine stellen. Das Bild mit den Hühnern ist insofern vielleicht plastisch, aber auch etwas ungerecht. Die Dems werden sich sortieren, aber das braucht Zeit, vor allem, wenn es authentisch sein soll. Dazu gehören neue Inhalte, jüngere Gesichter, und nicht zuletzt die bei den Dems bisher fehlende Bereitschaft, in die neue anarchische Medienwelt von Podcasts, Influencern und Blog-Journalismus einzutauchen. Carvilles Vorschlag ist vor diesem Hintergrund doppelt attraktiv. Zum einen hat er ja völlig Recht, Trump und die Republikaner zerstören sich selbst, man muss sie einfach machen lassen. Blöd, dass dabei auch das Land kaputt geht, aber mal ehrlich, wie will man das verhindern, wenn man nicht an der Macht ist? Und zum anderen gibt das den Demokraten die Zeit, die sie brauchen, um Inhalte und Personen zu testen. Mit anderen Worten, die Kakophonie sollte ruhig noch etwas andauern. Nur eines sollte man vermeiden, sich nicht von Trump die Themen vorgeben zu lassen, sondern selbst die Schwerpunkte setzen. Diese Disziplin fällt manchen Leuten schwer.
Mein zweiter Eindruck verlässt die US-Perspektive und ist eine europäische Reaktion auf die Debatten der Demokraten. Diese sind auf eine wirklich konsternierende Weise selbstbezüglich. Damit meine ich nicht, dass es naturgemäß auch immer um die Demokraten selbst geht, sondern dass einfach alle inhaltlichen Fragen, die dabei eine Rolle spielen, eine dezidierte US-Binnenperspektive einnehmen. Man diskutiert breit über DOGE, die Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit oder wann Zölle vielleicht doch eine gute Idee sein könnten. Aber niemand bei den Demokraten, und ich meine wirklich NIEMAND, spricht jemals über die Schneise der Verwüstung, die Trump im Bereich der Außenpolitik geschlagen hat. Es ist, als ob es die Außenwelt gar nicht gäbe. Trump tötet die Nachkriegsordnung und die transatlantische Partnerschaft, verrät die bisher engsten Verbündeten und ist dabei, die USA außenpolitisch auf Dauer gründlich zu isolieren. Hört man den Demokraten zu, gewinnt man den tiefen Eindruck, als interessiere das alles niemanden. Pete Buttigieg z.B. ist für fast drei Stunden zu Gast in einem Video-Podcast und niemand, nicht einmal Buttigieg selbst, kommt auf die Idee, auch nur für ein paar Sekunden über internationale Sicherheit zu sprechen. Vielleicht glaubt man, man könne 2029 die Uhr einfach wieder um vier Jahre zurückstellen, aber das ist naiv. Das geht bei den Zöllen, aber nicht in der europäischen und asiatischen Sicherheitspolitik. Bis 2029 dürften irreversible Fakten geschaffen worden sein, vielleicht sogar durch Krieg. Absolut nichts deutet darauf hin, dass dies irgendeinen der führenden Demokraten beunruhigt. Das scheint mir eine bemerkenswerte Selbstauskunft, die unterstreicht, dass die Nachkriegsordnung in der Tat vorbei ist. Egal, wer im Weißen Haus sitzt, Europa muss sich ab sofort um sich selbst kümmern.
Einfach zuzuschauen wie Trump und seine devoten Unterlinge das Land zertrümmern und daraus Honig für die nächste Wahl zu saugen, kann keine Ernst zu nehmende STrategie sein. Zugespitzt heißt das: Je schlimmer die Zustände, desto besser für uns. Was ist das für eine zynische Haltung! Zumal durch Trump soviel zerstört wird, unzählige Existenzen durch DOGE und auch Menschenleben durch die Streichungen bei den Hilfsorganiosationen. Kommt es jetzt für die Dems nicht darauf an, sich mit der langsam anschwellenden Protestbewegung der Zivilgesellschaft zu verbünden? Und immer wieder aufzeigen, welche Folgen das ZerTrumpeln zivilisatorischen Errungenschaften hat?