Vor drei Wochen habe ich die Frage gestellt, ob die USA unter Trump in den Faschismus gleiten und die Frage verneint. Das ist immer noch meine Meinung. Aber keine Frage, Trump verändert das Land. Ich glaube nur, dass die Faschismusdiskussion den Blick für das trübt, was tatsächlich passiert. Wenn wir schon ein Leitbild zur Einordnung all der Phänomene nehmen wollen, mit denen uns die Trump-Regierung täglich bombardiert, sollten wir weniger an Deutschland in den 30er Jahren - Massenaufmärsche, Konzentrationslager, Aufrüstung - denken und mehr an den Film “The Godfather” von 1972.
Es war James Comey, FBI-Chef zu Beginn von Trumps erster Amtszeit, der meines Wissens als erster diesen Vergleich ins Spiel gebracht hat. In einer Aussage 2017 vor dem Senat über seine Kontakte zu Trump berichtet er z.B. von einer Einladung zum Abendessen im Weißen Haus. Comey, dem Justizministerium unterstellt und damit mehrere Ebenen unter Trump, ist der einzige Gast:
He said that lots of people wanted my job and, given the abuse I had taken during the previous year, he would understand if I wanted to walk away. My instincts told me that the one-on-one setting, and the pretense that this was our first discussion about my position, meant the dinner was, at least in part, an effort to have me ask for my job and create some sort of patronage relationship.
Comey will sich allerdings in nichts hineinziehen lassen und sagt nur, dass er seine zehnjährige Amtszeit1 gerne komplett ableisten möchte. Trump könne sich immer darauf verlassen, dass er ihm gegenüber ehrlich sei.
A few moments later, the President said, “I need loyalty, I expect loyalty.” I didn’t move, speak, or change my facial expression in any way during the awkward silence that followed. We simply looked at each other in silence.
Comey berichtet in seiner Aussage weiter, wie Trump ihn in den nächsten Wochen mehrfach gebeten habe, im Kontext der Untersuchung des FBI zur Beeinflussung der Präsidentenwahlwahl 2016 durch Russland Dinge “loszulassen” oder in Trumps Sinne zu regeln. Der Rest ist bekannt. Comey sah sich nicht einer Person, sondern dem Land verpflichtet, und ist einige Wochen später als FBI-Direktor entlassen worden. In der Folgezeit hat Trump ihn in der Öffentlichkeit nicht nur immer wieder übel beschimpft, sondern auch laut darüber nachgedacht, dass sich jemand seine Finanzen ansehen sollte. Und siehe da, 2019 sind sowohl Comey wie sein bald nach ihm entlassener Stellvertreter, McCabe, für eine besonders intensive Form der Steuerprüfung ausgewählt worden, die statistisch nur jeden dreißigtausendsten Steuerzahler trifft. Bloody hell, wie das Leben so spielt.
Fast Forward in die Gegenwart. Am letzten Wochenende sind bereits weit fortgeschrittene Pläne bekannt geworden, wonach das Emirat Katar Trump ein brandneues, für ihn angefertigtes und luxuriös ausgestattetes Präsidentenflugzeug überlassen wolle. Nach Trumps Amtszeit soll dieses in den Besitz der Stiftung der Trump Presidential Library übergehen, die es dann wiederum direkt an Trump als Dauerleihgabe weiterreichen würde. Mit diesem Trick hebelt man die US-Verfassung aus, die die Annahme von Geschenken bei Amtsträgern unmissverständlich verbietet. Korruption? Selbstverständlich, und wie, aber das ist bei weitem noch nicht das Ende. Diverse Konzerne haben z.B. 240 Millionen Dollar für die Feierlichkeiten zur Amtseinführung von Trump gespendet. 240 Millionen für Schampus und Canapés? I don’t think so, nur - wo ist der Rest? Und was ist mit der kurz vor Amtsantritt gestarteten Memecoin “$Trump”, über die man sich nicht nur direkten Zugang zum Präsidenten kaufen kann, sondern ihn auch bestimmten Anliegen gewogen stimmen kann, wie mutmaßlich bei der Entscheidung einer chinesischen Firma mit Beziehung zu TikTok, die mal einfach 300 Millionen Dollar für Memecoins an die Trump-Familie überweist? Oder den 40 Millionen Dollar, die Amazon für das Recht zahlt, einen Dokumentarfilm über die so ungemein faszinierende und charismatische Melania Trump zu machen? Bei diesen Summen wirken die Bibeln (50 $ das Stück) und Sneaker (300 $ das Paar), mit denen Trump vor seiner zweiten Amtszeit nebenbei Geld verdient hat, geradezu rührend.
Okay, was immer Trump sonst noch so bezweckt, eines ist jedenfalls klar: He is also in it for the money. Das passt zu Comeys Bild des Paten, denn Paten sind am Ende auch nur Geschäftsleute, die am persönlichen Profit interessiert sind.
Aber aufgepasst, nicht nur. Das ist das Gefährliche an diesen Metaphern, man darf nicht anfangen, die ganze unordentliche Wirklichkeit in ein starres Bild zu pressen. Denn Trump hat durchaus bestimmte ideologische Fixpunkte, zu denen er immer wieder zurückkehrt. Z.B. “Ausländer raus”, “Zölle sind gut” und “Die USA brauchen keine Verbündete”. Oder “Klimaschutz ist scheiße” und “Ich werde seit Jahren total ungerecht behandelt”. Diese Vorstellungen versucht er in Politik umzusetzen. Das hat mit persönlichem Profit erstmal nichts zu tun.
Er macht dies aber auf eine charakteristische Art. Nehmen wir das fürchterliche Treffen mit Selensky im Oval Office. Was Trump von Selensky wollte, war dessen Unterwerfung vor laufenden Kameras. Sobald Selensky, wie er es seitdem immer wieder tut, die entsprechenden Geräusche macht, wird Trump gnädig. Oder die Zölle. Billionen vernichtet, ein Chaos, das geschäftliche Investitionen unmöglich macht, und heftige Ablehnung der amerikanischen Bevölkerung, nach herkömmlichen Maßstäben also eine total gescheiterte Politik. Nicht nach Trump. Denn er will andere Länder bzw. große Unternehmen zwingen, einzeln zu ihm zu kommen, um bei ihm persönlich um Gnade zu betteln und sich am Ende für Zugeständnisse Trump zu unterwerfen. Siehe Comeys Abendessen. Genau das machen viele auch, von Großbritannien bis Chrysler. Im Falle Chinas oder Apples verbunden mit hohen Zahlungen, für die irgendein Anlass gefunden wird. Ob da für den amerikanischen Industriestandort, um den es doch angeblich gehen soll, wirklich viel rauskommt, ist sekundär. Da kann Trump plötzlich recht flexibel werden. Die ideologischen Inhalte sind da, aber am Ende will Trump vor allem der Boss sein, immens reich und genauso mächtig.
Was bedeutet das für Rechtsstaat und Demokratie in den USA? Leider nichts Gutes, jedenfalls wenn man allein Trump und sein Team betrachtet. Kein Pate freut sich über eine unabhängige Justiz, und kein Pate findet es gut, Macht zu verteilen und zu dezentralisieren. Ob Trump Harvard in die Knie zwingen möchte, weil er einen gleichgeschalteten Führerstaat anstrebt oder weil er es nicht dulden kann, dass seine Autorität und damit seine Ehre öffentlich angegriffen wird, ist am Ende egal.
Trotzdem kann diese These uns zwei wertvolle Hinweise geben. Einmal zeigt es uns, jedenfalls was Trump betrifft, die wirklichen Prioritäten seiner Präsidentschaft. Er will Reichtum, er will Macht, und er will Ansehen. Am Ende geht es um ihn, nicht um das Land und nicht um ein Programm. Die vermeintlichen ideologischen “Fixpunkte”, seien es Zölle oder die Chinapolitik, sind dann im Zweifelsfall gar nicht so fix, sondern erstaunlich flexibel. Trump ist MAGA, keine Frage, aber eigentlich nur ein bißchen. Das ist es, was Großunternehmen und einige Staaten mit viel Geld in der Portokasse begriffen haben.
Um das Bild noch ein wenig komplizierter zu machen, legt meine These zum zweiten einen zwar feinen, aber potenziell tiefen Riss innerhalb seiner Regierung und innerhalb der MAGA-Bewegung nahe. Eine Reihe hochrangiger Mitglieder der Regierung (z.B. Rubio, Noem, Bondi) arbeiten auf Basis des Paten-Modells, sie verstehen sich als die Heinzelmännchen vom Big Boss, immer brav, immer emsig und niemals eigenständig. Aber es gibt auch die Überzeugungstäter (Stephen Miller/Migration und Deportationen, Peter Navarro/Zölle, Vance/Isolationismus und imperiale Präsidentschaft). Ich vermute, dass es die letztere Gruppe ist, die die konkrete Politik macht, nicht Trump, der zumindest beim Thema Deportationen schon zweimal nicht ganz auf der Höhe des aktuellen Geschehens und seiner eigenen Politik zu sein schien. Mit anderen Worten, Trump ist möglicherweise ein eher schwacher Präsident, der inhaltlich wenigstens teilweise von seinem eigenen Apparat getrieben wird und dessen Prioritäten in Konflikt zu den Zielen der Hardcore-MAGAisten geraten könnten.
Wie weit sind die USA inzwischen Richtung Alleinherrschaft gerutscht? Nun, sie sind nicht weiter als vor drei Wochen. Es gibt immer noch freie Wahlen, Gerichte entscheiden unabhängig, die Bill of Rights gilt weiter, die Bundesstaaten existieren mit allen Rechten und Trump hat auch noch nicht begonnen, eine paramilitärische Truppe aufzubauen, um die Macht an sich zu reißen. Nur die unglaubliche Korruption im Herzen des Regimes ist seitdem sehr viel deutlicher geworden.
Zwei Bemerkungen zum Abschluss. Erstens, auch das Bild des Paten wird, wie bereits thematisiert, nicht alles erklären können, es ist nur eine Analogie, um einen meines Erachtens zentralen Charakterzug der zweiten Amtszeit von Trump zu verstehen. Und zweitens handelt es sich im Popper’schen Sinne um eine reine These. Diese ist erstmal spekulativ (vor allem gegen Ende), und ich werde sie künftig immer wieder mit der Wirklichkeit vergleichen, um sie ggf. zu korrigieren, weiterzuentwickeln oder zugunsten einer anderen These ganz aufzugeben. Es gibt auch andere Sichtweisen, die ebenfalls plausibel sind. It’s a work in progress.
Direktoren des FBI werden in den USA traditionellerweise auf 10 Jahre ernannt, um den Inhabern Unabhängigkeit gegenüber der jeweiligen Regierung zu geben. Unter Trump ist diese Praxis beendet worden.